Karneval war bis zum 2. Weltkrieg in Nordhessen zwar nicht unbekannt, aber bis auf wenige Hochburgen wurde Karneval meistens nur als Kostümfest, Masken- oder Kappenball gefeiert. Nach dem Krieg fanden auch viele Rheinländer in Nordhessen eine neue Heimat. Diese wollten natürlich auch ihr rheinisches Brauchtum beibehalten. Damit rannten sie offene Türen ein, so auch in Rothwesten. Trotzdem war kein Rheinländer bei den treibenden Kräften zur Einführung des Karnevals beteiligt. Den Anstoß gaben der Gastronom Ludwig Schröder, Herbert Voigt und Erich Rodekurth. Zunächst beschloss man im Jahr 1958 einen Rosenmontag zu feiern. Diese Veranstaltung muss ein voller Erfolg gewesen sein, denn man beschloss einen Karnevalsverein zu gründen. Zu den oben genannten Personen kamen Horst Steinmann, Paul Klapper, Rosemarie und Christa Overmeier, Karl-Heinz Schröder, Horst Polikowski, Hans Gunkel, Renate Wiskemann, Fred Lorenc und Inge Rodekurth hinzu.
Es fanden mehrere Versammlungen statt, bevor am 29.10.1958 die eigentliche Gründungsversammlung im Lokal Schröder durchgeführt wurde.
Hier wurde unter anderem beschlossen, dass es sich um einen eigenständigen Verein handeln sollte, der nicht als Sparte an einen anderen Verein angeschlossen ist.
Weiterhin wurde beschlossen, dass die Versammlungsteilnahme für die Vereinsmitglieder Pflicht ist. Bei 3-maligem unentschuldigten Fehlens sollte der Vereinsausschluss erfolgen, heute undenkbar.
Der Vorstand bestand aus:
1. Vorsitzender – Erich Rodekurth
2. Vorsitzender – Herbert Voigt
Kassiererin – Rosemarie Overmeier
Schriftführerin – Renate Klapper
Am 17.01.1959 fand die Erste Karnevalssitzung im Saal Schröder statt. Sitzungspräsident war Herr von Stark.
Auch eine bescheidene Tanzgruppe, welche aus vier jungen Damen bestand, war Bestandteil des Programms. Es kann heute nicht mehr festgestellt werden, wer bei dieser Ersten Sitzung in die Bütt stieg. Mit Sicherheit war dies aber Erich Rodekurth. Vermutlich traten hier auch schon die späteren Büttenasse Hans Gunkel, Herbert Voigt und Horst Steinmann als „Schütze Bumm“ auf.
Die folgende Zeit bis ins Jahr 1968 ist leider nirgendwo belegt, die Unterlagen sind verloren gegangen.
Nach dem plötzlichen Tod von Erich Rodekurt im Sommer 1967 wurde die Personalunion von Vorsitzendem und Sitzungspräsident aufgehoben. Erster Vorsitzender wurde nun Paul Klapper. Es fand sich jedoch kein Sitzungspräsident. Das änderte sich als man am Rosenmontag 1968 Horst Seidel als neues Mitglied gewinnen konnte. So wurde dieser schon in der Session 68/69 Sitzungspräsident.
In dieser Zeit begann auch der Umbruch. Der Drang des Vereins nach vorn. Mit Fritz Kunick hatte der Verein einen selbstbewussten Organisationsleiter, der mit seiner Frau Brigitte einige Meilensteine setzte.
Herbert Voigt und Hans Gunkel setzten als Herr Fröhlich und Herr Schön ihren Siegeszug fort. Anni und Hans-Werner Eckhardt gehörten, mit einem als Drehorgel verkleidetem Kinderwagen, einige Jahre zu den zugkräftigsten Auftritten.
Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre stiegen auch die ersten Damen in die Bütt. Brigitte Kunick, Gerda Steinmann, Doris Scholz, Karin Seidel und Stefanie Künkler zeigten mit zum Teil sehr beachtlichen Leistungen ihr Talent.
Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des RCV war die Einrichtung des Kinderkarnevals. Horst Seidel war der Initiator und Brigitte Kunick die treibende Kraft in der Durchführung. So startete 1973 die erste Kinder- und Jugendsitzung unter dem Motto „Von Kindern, für Kinder“. Auch ein Kinderprinzenpaar war vorhanden und Harald Lenhard war der erste Kindersitzungspräsident.
Seit dieser Zeit mussten erst einmal Erwachsene als Ansager einspringen, da wir ansonsten immer Kinder / Jugendliche fanden, die durch das Programm führten.
Bei der Gründung der IKN (Interessengemeinschaft Karneval Nordhessen) standen vom RCV Walter Gabriel, der heute Ehrenpräsident der IKN ist, und Horst Seidel Pate. Diese Interessengemeinschaft, die heute wegen ihrer Größe hier und da schon einmal ihre Flexibilität verloren hat, war ein Segen für den nordhessischen Karneval.
Das Freundschaftstanzen, welches jährlich ohne jede Bewertung durchgeführt wird, hat die Qualität der Garden und ihrer Tänze stetig erhöht. Die Programme selbst wurden durch Darbietungen der befreundeten Vereine aufgefüllt und ständig verbessert.
Durch die IKN haben sich auch langjährige Vereinsfreundschaften ergeben, welche mit gegenseitigen Besuchen der Karnevalsveranstaltungen aufrecht erhalten werden.
Auch unsere Garden haben in dieser Zeit die größten Fortschritte gemacht. Nicht alle Damen, die sich als Trainerin und Betreuerin oder in der Jugendarbeit verdient gemacht haben, können hier aufgezählt werden. Aber Annie Eckhardt, Brigitte Kunick, Angelika von der Ehe und Christa Richter haben sich viele Verdienste erworben.
In den letzten Jahren waren dies überwiegend Valeska Krönert (Wiebe), Andrea Bartel (Bein), Nicole Raatsch (Ludwig), Svenja Ludwig, Jennifer und Elke Lippold, Jennifer und Martina Schlicker. Zurzeit werden neue Trainerinnen an das Amt herangeführt, so dass auch hier die erfolgreiche Arbeit fortgesetzt werden kann.
Diese Arbeit gilt gleichermaßen für die Einzelmariechen und Tanzpaare, wobei unser erstes Tanzmariechen Claudia Goldmann und unser erfolgreichstes Tanzmariechen Jasmin Hofmann nicht unerwähnt bleiben sollen.
Ein weiteres Kapitel in der Geschichte des RCV sind die Altennachmittage. Anfang der 60er Jahre führte der RCV Altennachmittage in eigener Regie durch. Dies musste aus Kostengründen jedoch bald wieder aufgegeben werden. Im Herbst 1976 regte Bürgermeister Michel an, diesen karnevalistischen Altennachmittag von der Gemeinde zu übernehmen und dem RCV die Durchführung zu übertragen.
Diese Veranstaltungen wurden bis einschließlich 2001, jeweils am Nachmittag unserer Prunksitzung, veranstaltet. Im Jahr 2002 erfuhr der RCV erst auf Nachfrage, dass dieser Nachmittag aus Kostengründen nicht mehr in der Planung der Gemeinde stand. Den RCV traf dies in erster Linie in der Jugendarbeit. Die Garden, hier vorwiegend die Bambinos und die Kinder, die das ganze Jahr über trainieren, haben oft wenig Möglichkeiten ihre Leistung unter Beweis zu stellen. Sie sind für jede Auftrittsmöglichkeit dankbar.
Seit dem Jahr 2003 findet diese Sitzung zur Freude aller wieder statt, auch wenn es mittlerweile wieder Probleme gab und der RCV sich jetzt zusätzlich mit einem größeren finanziellen Anteil einbringt.
Dieses Engagement hat sich jedoch gelohnt, denn die Fuldataler Bürger honorieren dies durch einen regen Besuch der Veranstaltung.
Sehr schöne Erinnerungen sind auch die Rathauserstürmungen in den Jahren 1977 bis 1979, die immer mit viel Enthusiasmus durchgeführt wurden.
Auch die Erstürmung der Fritz-Erler-Kaserne gehörte jahrelang zum festen Programm. Die Verbindung zur Fritz-Erler-Kaserne bestand aber nicht nur aus der Erstürmung, sondern auch aus vielen gemeinsamen Sitzungen und Bällen. Dies traf auch auf den Bundesgrenzschutz in Ihringshausen zu, bei dem wir einmal sogar mit einem Hubschrauberrundflug belohnt wurden.
Im Jahr 1979 wurde der Frauenkarneval ins Leben gerufen. Es war eigentlich eine Damensitzung, zu der der Elferinnenrat in der Uniform einer Stewardess auf die Bühne kam. Dies wurde von einem an die Wand gemalten Jumbo und dessen Triebwerken, die als Donnergetöse mittels eines Staubsaugers hörbar gemacht wurden, untermalt.
Da keine Damenkapelle aufzutreiben war, wurde eine Rentnerband in Frauenkleider gesteckt. So waren auch alle Akteure Damen oder Männer in Frauenkleidern, wie z. B. Janine die als Nummerngirl auftrat und einen Striptease hinlegte, dass kein Auge trocken blieb.
Auf Grund rückläufiger Besucherzahlen hielt sich der Frauenkarneval jedoch nur einige Jahre.
Seit 1979 hatten wir auch jährlich einen Auftritt in dem Kasseler Seniorenheim Luisenhaus. Diesem Tag fieberten die Bewohner bereits lange entgegen, da dies eine willkommene Abwechslung des Alltags war. Wenn diese Menschen in dem Alter auch nicht mehr zu großen Begeisterungsstürmen hinzureisen waren, so merkte man doch in den nachfolgenden Gesprächen die große Dankbarkeit für 1 1/2 Stunden Karnevalsprogramm.
Leider wurde diese schöne Tradition im Jahr 2010 durch das Luisenhaus abgesagt. Im Jahr 2011 wurde mitgeteilt, dass die neue Heimleitung kein Interesse mehr am Karneval hat.
Soziale Dienste hat der RCV jedoch nicht nur in der Seniorenarbeit geleistet. Jahrelang wurde Schwester Christa vom Kasseler Kinderheim Kleiner Holzweg mit einem VW-Bus voller Kinder zum Kinderkarneval abgeholt.
In den 70er und 80er Jahren spielte der RCV eine große Rolle bei der Gestaltung des Seniorennachmittages beim Berg- und Heimatfest des TSV Rothwesten. Hier oblag dem RCV nicht nur die Moderation des Nachmittagsprogramms, sondern er war in erster Linie mit Laienspielen aktiv. Am Bergfestmontag war es obligatorisch, dass eine oder mehrere Tanzgruppen das Publikum erfreuten.
Seit ein paar Jahren nimmt der RCV, auf Anregung der damaligen Trainerinnen und Organisation von Ralf Breßler, wieder am Zisselumzug teil.
Auch ein Tanz bei der Ihringshäuser Straßenkirmes ist fester Bestandteil der Auftritte außerhalb der Session geworden. Bei der ersten Straßenkirmes wurde vom HGV kurzfristig ein Tanzpunkt gesucht, da vom Regierungspräsidenten für eine Straßenkirmes ein „Kirmestanz“ gefordert wurde. Um die Veranstaltung nicht komplett absagen zu müssen, half der RCV mit einem Tanzmariechen aus und hat sich hierdurch weitere Freunde geschaffen.
Auf Grund dieser Vielzahl von Vereinsaktivitäten und des sozialen Engagements entstehen größere Ausgabepositionen, welche allein durch die Mitgliederbeiträge nicht ausgeglichen werden könne.
Als Beispiel kann das Jahr 2002 genannt werden. Hier wurden allein 5257,-€ für Uniformen und Garderobe ausgegeben.
Der Mitgliedsbeitrag, den die Kinder und Jugendlichen zu zahlen haben, deckt noch nicht einmal die Versicherungskosten, welche selbstverständlich vom RCV geleistet werden.
Wenn der RCV keine Eigenbewirtschaftung hätte, wäre die hervorragende Jugendarbeit nicht möglich. Zu dieser Jugendarbeit kommen noch die Trainerausbildung, Freizeiten, Buskosten für Turniere und auswärtige Auftritte hinzu. Auch die GEMA-Kosten sind nicht unerheblich, da sogar für das Einstudieren der Tänze GEMA-Gebühren anfallen.
Nachdem viele Jahre sämtliche Requisiten ausgelagert waren, wurde im Mai 2000 mit dem Bau eines Requisitenraumes an der Sporthalle begonnen. Bereits am 11.08.2000 war Richtfest und am 20.01.2001 wurde mit dem Umzug begonnen. Insgesamt wurden ca. 1.200 Arbeitsstunden durch Vereinsmitglieder geleistet, da außer den Dacharbeiten und dem Außenputz alle Arbeiten durch Vereinsmitglieder ausgeführt wurden.
Dem RCV stehen nun ca. 80qm Raumfläche auf 2 Etagen zur Verfügung. Auf diese Leistung, die hier erbracht wurde kann der RCV sehr stolz sein.
Die stärksten Programmpunkte aus den ersten ca. 25 Jahren konnten sie bereits am Anfang dieser Chronik nachlesen. Einen Aufschwung erlebte der Verein, als junge Männer in den Verein kamen und eine Männertanzgruppe kreierten. Mit vielen neuen Ideen setzte das neue Männerballett neue Maßstäbe. Gleichzeitig etablierte sich ein neues Damenballett, welches zum Großteil aus den Garden hervorging.
Jahrelang war ein gemeinsamer Auftritt als „Rothwestener Herzblatt“ der Renner bei den verschiedensten Veranstaltungen.
Nicht zu vergessen sind die Sänger. Zum Einen die Rothwestener Herzbuben und zum Anderen unsere Stimmungssänger Erwin Zayka und Achim Stolzmann.
Die Würze eines Karnevalsvereins sind natürlich die Redner. Hier sind insbesondere Inge Dornemann mit ihrem Dorfklatsch, Sabine Peters, Heike Recker, Beate Peter und Helga Seidel zu nennen. Die letztgenannten ziehen in verschiedenen Konstellationen über die Männerwelt her. Altmeister in der Bütt Horst Seidel war einer der wenigen Männer, der eine Zeitlang durch „Dumm und Dümmer“ Oliver Kessler und Jürgen Hartrumpf männliche Unterstützung hatte.
Aber auch Jupp Seegrefe darf durch seine unkonventionellen Auftritte, die er zusammen mit Herbert Kirsten vorführte, nicht zu kurz kommen. Hier kam immer wieder die köllsche Herkunft zum Vorschein.
Mit den Jahren wurden die Garden und Tanzmariechen des RCV immer besser. Mittlerweile bewegen sie sich auf einem sehr hohen Niveau, was auch von anderen Vereinen bestätigt wird. Durch die Teilnahme an Turnieren und Meisterschaften wird versucht dieses Niveau zumindest beizubehalten. Absolutes Highlight war hier die Teilnahme von Jasmin Hoffmann an den Deutschen Meisterschaften im karnevalistischen Tanzsport.
Ralf Breßler als souveräner Sitzungspräsident ist ein verlässlicher Akteur für die Veranstaltungen des RCV, den so leicht nichts aus der Ruhe bringt.
Neben Ralf Breßler gab es erst fünf weitere Sitzungspräsidenten im RCV. Dies waren Erich Rodekurth, Erich Leis, Horst Seidel und Harald Lenhard und Jörg Peters.
Die Vorsitzenden des Vereines waren Erich Rodekurth, Paul Klapper, Bernhard Deters, Horst Steinmann, Walter Gabriel, Hans-Jürgen Schmidt, Heinz Schocke, Horst Seidel, Josef Seegrefe, Ralf Breßler und seit April 2010 Oliver Kessler.
Unter Walter Gabriel wurde der RCV ein eingetragener Verein (e.V.).
Die Kontinuität im Verein zeigt sich dadurch, dass Josef Seegrefe und Ralf Breßler jeweils 10 Jahre lang 1. Vorsitzender waren. Außerdem gab es seit der Gründung erst drei 1. Kassierer. Seit 1994 hat Sabine Peters dieses Amt inne, welches sie von Inge Rodekurth übernahm, die selber über Jahrzehnte dieses Amt ausübte.
Dies war ein grober Abriss vom Karneval in Rothwesten. Obwohl viele Namen genannt wurden, wird es nie eine Einzelperson oder Gruppe sein, die einen Verein weiterleben lässt. Es ist immer ein Zusammenspiel aller Beteiligten erforderlich. Wenn diese Zusammenarbeit Aller ohne Rücksicht auf die Vorstellung Einzelner klappt, wird der Verein leben und weiter bestehen. Wir hoffen, dass es auch weiterhin viele Mitglieder gibt, die ihre Interessen denen des Vereins unterordnen und somit für die erfolgreiche Arbeit des Vereins wirken.